Sexueller Burn-out – Von der Stimulation zur natürlichen Körperentfaltung

von Moraya Kraft

Heute veröffentliche ich diesen für den Einen oder Anderen wohl provokativen Artikel. Bitte versuchen Sie, ihn mit Offenheit und Neugier zu lesen. Es geht um den gesellschaftlichen Burn-out, die Unlust, die sich mehr und mehr breit macht, und den Weg hinaus. Dieser erfordert allerdings, eine neue Haltung einzunehmen, sich zu öffnen, sich transformieren und revolutionieren zu lassen. Etwas anzunehmen, wovon man glaubte, schon alles zu wissen. Das ist eine Herausforderung, die es sich lohnt, anzugehen. Ich fordere sie heute also mal heraus! Nehmen Sie die Challenge an?

Meine langjährige Erfahrung im Bereich Sexualberatung und Tantramassage, sowie meine Selbsterfahrungen, haben mir einen deutlichen Unterschied aufgezeigt, zwischen „Sex machen“ und „Sex haben“. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich in der Lage war, die Zusammenhänge zu verstehen und sie so deutlich zu erkennen, dass ich einen Text darüber verfassen und veröffentlichen kann. Nun ist es endlich soweit und ich freue mich, meine Erkenntnisse mit Ihnen teilen zu dürfen.

Wo kommt sie eigentlich her, die gefürchtete und leider in wachsender Anzahl befindliche sexuelle Unlust? Immer häufiger bekomme ich zu hören, meine Frau oder mein Mann haben keine Lust mehr auf Sex. Oder ich höre Geständnisse von Affären oder Liebhabern, mit der Rechtfertigung, dass der eigene Partner keine Lust mehr auf Sex habe.

Hmmm, als Sexualpädagogin wurde ich hinsichtlich dieser Bemerkungen natürlich neugierig und wollte der Sache gerne auf den Grund gehen. Portale wie „Joyclub“, „poppen.de“ und „ficken.de“ erreichen in Zeiten der sexuellen Frustration ihren Höhepunkt. Alle scheinen sich nach dem einen zu sehnen, was offensichtlich ganz viele nicht haben: SEX.

Einer Umfrage von Censuswide unter 1001 Probanden zufolge hat ein deutsches Paar zwei Mal pro Woche Sex und nur 47 % der Deutschen sind mit ihrem Sexleben zufrieden. Und jeder Zehnte davon soll gar nicht zufrieden sein. Männer sind mit dem, was sie im Bett bekommen, glücklicher als Frauen. Mein Resümee aus dieser kleinen Recherche bestätigt mir, dass die Leute, die zu mir kommen, durchaus repräsentativ sind, wenn ich mir diese Zahlen so anschaue.

Aber was machen wir denn nun damit?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie unbefriedigend konventioneller Sex einst für mich war und mir diese Stimulation eines Tages einfach nur noch Langeweile bescherte, statt lustvolle Höhenflüge. Klar ist es schön, einen Höhepunkt zu haben, gar keine Frage, bitte nicht falsch verstehen, ich bin kein Feind von Höhepunkten. Jede(r) soll sie so oft haben, wie sie ihm und ihr Befriedigung und Zufriedenheit bescheren.

Ich selbst würde mich noch vor wenigen Jahren in vorherigen Beziehungen zu den 47 % zählen, die unzufrieden waren mit ihrem Sexleben. Und ich habe mich immer weiter aus dem aktiven Sexleben zurückgezogen, weil ich einfach keine Lust mehr darauf hatte. Mein Weg führte mich damals über Tantra-Seminare und viel Bewusstwerdung über den eigenen Körper in eine völlig neue Erlebenswelt mit mir und meinem Körper.

Also liegt es nahe, dass ich meine Erfahrungen heute an interessierte Menschen weiter geben möchte. Wie ich von einer lustlosen, kaum noch sexhabenden Frau zu einer multiorgiastischen Frau wurde, die ihren Körper mit all seinen Empfindungen bis in jede Zelle hinein genießt und anfängt, Arien zu singen, wenn jemand weiß, dieses Körper-Instrument zu spielen? Worum geht es mir?

Ich möchte Sie dafür gewinnen, für einen Moment hellhörig zu werden und sich zu öffnen für etwas Neues, etwas, dass auch Ihr Liebesleben revolutionieren und auf den Kopf stellen kann. Der Trick ist, Sie müssen dafür aufhören zu glauben, dass Sie bereits alles wissen und Ihnen in Punkto Sex niemand mehr etwas sagen kann. Ganz ehrlich, wir sitzen diesbezüglich alle in einem Boot und müssen uns eingestehen, dass wir von Sex keinen blassen Schimmer haben. Woher denn auch?

Wer hat uns beigebracht, was Sex ist und wie er funktioniert? Keiner, wir haben alle eines Tages damit angefangen, etwas zu tun und uns mehr oder weniger im Außen zu orientieren. Pornografie, Gynäkologen, Urologen und vielleicht noch den einen oder anderen Freund / Freundin um Rat gefragt. Ich weiß, dass das den einen oder anderen triggert, was ich hier schreibe. Aber mal Hand aufs Herz: Erlauben Sie sich mal eine Bestandsaufnahme des Status Quo.

Sie müssen es auch niemandem sagen, aber trauen Sie sich und schauen Sie sich Ihr aktuelles Sexleben einmal ganz ehrlich an. Ohne es schön zu reden, ohne sich auf das zu verlassen, was man Ihnen schon Nettes zu dem Sex mit Ihnen gesagt hat. Unser Ego spielt uns übel mit, ganz besonders im Bereich der Sexualität. Dort sind wir verwundbar und extrem verletzlich. Unser Ego versucht mit all seinen Mitteln uns davor zu schützen, hier verwundet zu werden.

Gestehen wir uns allerdings ein, dass uns niemand im Außen verwunden will, sondern wir uns mit diesem Selbstbetrug nur selbst ein Leben lang verletzten, so können wir das Zepter in die Hand nehmen: Wir können unserem Ego liebevoll sagen, dass wir ihm dankbar sind für seine Unterstützung, aber dass wir jetzt gerne mal etwas Neues ausprobieren möchten. Erst an diesem Punkt angekommen, ich nenne ihn mal radikale Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, haben wir die Chance, dieses neue Wissen, um welches es mir hier geht, wertfrei anzunehmen und zu erfahren, wovon hier die Rede ist.

Sie brauchen nicht weiterzulesen, wenn Sie einen Widerstand in sich wahrnehmen, der sich in Ihnen über das bereits Gelesene regt. Dann suchen Sie sich lieber eine andere Seite, einen anderen Blog, in dem sexuelle Konditionierungen bedient werden. Hier geht es um Veränderung und Transformation dessen, was ist. Und selbst, wenn sie zufrieden sind mit dem, was ist: Das sind nur 50 Prozent Ihres Sexlebens. Und leider trauen sich insbesondere Frauen nicht wirklich zu sagen, wenn es ihnen nicht gefällt. Und auch das Argument, es habe sich noch keine zuvor bei Ihnen beschwert, zeugt wenig von Bewusstheit.  Es ist vielmehr die Abwehrreaktion des sich der Wahrheit nicht stellenwollenden Ego, welches sich dadurch nicht nach innen richten mag. Oder wollen Sie vom Chef eines Restaurants auf Ihre Beschwerde auch als unprofessionelle Antwort hören, es habe sich vor Ihnen noch niemand beschwert?

Was wir von unserer ersten Selbstbefriedigung an lernen ist, unsere Genitalien zu stimulieren. Meist völlig ohne die Beteiligung des restlichen Körpers. Wir legen Hand an und unsere Vagina / unser Penis sollen funktionieren. Wir stimulieren sie so lange auf eine bestimmte Art und Weise, bis etwas geschieht. Beim Mann zumeist der Samenerguss und bei der Frau ein Gefühl von Erleichterung.

Heute weiß ich, beides sind Arten, einen Druck in unserem System abzubauen, der durch Blockaden unterschiedlichster Art aufgebaut wird, durch unsere Art zu leben und mit unserem Körpern Raubbau zu betreiben. Je mehr Stress wir haben, umso mehr Druckabbau benötigen wir. Ob die schnelle Nummer mit sich alleine, die laut Befragung bei den meisten nur wenige Sekunden bis Minuten dauert oder beim Quickie mit dem Partner, sei mal dahin gestellt.

Ganz nüchtern drauf geschaut, habe ich für mich erkannt, dass es sich in beiden Fällen um eine Art von Missbrauch handelt. Dem Missbrauch des eigenen Körpers oder dem Körpers des anderen. Solange ich diesen Druckabbau, den viele auch Höhepunkt nennen, also ansteuere und als Ziel verfolge, bin ich ziemlich weit weg von dem, was Sex auf natürliche Weise sein kann und meiner Meinung nach auch sein soll. Tief nährend, befriedigend, ein Fest für Körper, Geist und Seele.

Und wie wir genau das erreichen, das hat uns nun mal leider keiner so wirklich erklärt. Dass es jedoch möglich ist, habe ich selbst erfahren und bin sehr dankbar dafür. Und ich wünsche mir für Sie, dass Sie es auch erfahren dürfen. Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, Sie nehmen die Erreichung Ihres Höhepunktes aus dem Fokus der Zusammenkunft heraus. Klingt vermutlich erst einmal furchtbar langweilig, nicht wahr?

Wenn wir unseren Körpern erlauben, sich zu entfalten und sich selbst zum Ausdruck zu bringen, anstatt sie mit starker Stimulation in die oftmals unbewegliche Starre zu zwingen, geschieht etwas Neues, ein Geschehenlassen setzt ein. Wenn die Berührung ganz sanft und achtsam wird, dann fängt der Körper an, danach zu verlangen, dann bewegt er sich dem sanften Reiz entgegen, versucht ihn sich so zu nehmen und sich selbst daran zu reiben, wie er es braucht, um seine ganzen Zellen mit dieser Energie zu füllen. Der Körper erotisiert sich dann von selbst!

So können wir bis hinunter zum kleinen Zeh von einer zarten Berührung am Ohr oder Hals durchflutet werden. Wir spüren, wie sich eine Bahn des Reizes von oben nach unten oder umgekehrt durch unseren Körper bahnt und wie sich die Lust langsam, ganz langsam nach oben schraubt und der ganze Körper dabei orgiastisch wird. Wir werden zu einer Welle, die sich bewegt und Geräusche macht. Und mit etwas Glück verbinden sich die Energien miteinander und verschmelzen.

Bleiben wir achtsam mit uns und dem Geschehen und verlassen das aktive Machen-wollen, dann kann der Körper sich auf eine noch nie erlebte Art und Weise entfalten. Zu erleben, wie ein Ritt aus purem Sein und Geschehen lassen daraus sich entfaltet, von einer unsichtbaren Energie das Becken sich hebt und senkt, ohne dass wir dies willentlich tun, ist eine Erfahrung des Göttlichen. In diesem Moment werden wir eins mit der Existenz, alles um uns herum löst sich auf. Dieser Zustand kann über Stunden anhalten und ist das Schönste, was ich je erlebt habe.

Vielleicht muss dafür das eine oder andere emotionale Schreckgespenst, welches den Energiefluss behindert, dafür angegangen werden. Aber es lohnt sich! Und ich bin der festen Überzeugung, wenn wir auf diese Art und Weise Sex haben, dann wird das Thema „Unlust in deutschen Betten“ verschwinden, weil unsere Körper und unsere Seelen sich nach dieser nährenden Erfahrung sehnen. Die Unlust bzw. der sexuelle Burn-out ist ein Zeichen dafür, dass es noch etwas mehr zu entdecken gibt als das, was wir bereits glauben zu wissen.

Die einen versuchen, sich über einen neuen Partner diese Sehnsucht im Außen zu erfüllen, solange bis auch sie erkennen, dass es immer wieder von vorne beginnt. Oder wir arrangieren uns eines Tages damit, dass sexuelle Lust nicht für immer bleibt.

Es kommt immer auf die Perspektive an, mit der wir schauen.

Sexualität ist ein Tor, welches wir nutzen können, um uns selbst zu entdecken. Die einen gehen hindurch, andere bleiben davor stehen. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, jeder nutzt es so, wie er es für sich für stimmig hält.

Ich freue mich auf Ihre Kommentare und antworte Ihnen gerne auf Ihre Fragen!

Herzliche Grüße,

Ihre
Moraya Kraft

Moraya Kraft
DGAM Dozentin für Sexualkultur und Gesundheitspraktikerin
Seminare, Workshops und Coaching für Singles & Paare
Vorträge, Online-Kurse rund um das Thema genussvolle Sexualität, Inneres Kind, posturale integrative Körperarbeit, Transaktionsanalyse
Zum Blogbeitrag auf www.morayakraft.de

Eine Antwort auf „Sexueller Burn-out – Von der Stimulation zur natürlichen Körperentfaltung“

  1. Hallo Frau Kraft,
    ich habe mit Interesse ihren Beitrag gelesen.
    Ich habe lange Zeit zu den glücklichen gehört, die vollumfänglich mit dem Sex zufrieden waren. Sie schreiben vom Samenerguss als Druckabbau. Bis zu einer Zeit war es nicht der Samenerguss welcher als Ziel beim Sex oder der Selbstbefriedigung definiert war. Es war der unbeschreibliche Moment der sich beim Orgasmus im Kopf abspielte, lediglich ein zucken des Körpers war ein Zeichen dass er eingetreten war. Meist in Verbindung mit einem Samenerguss, was aber nicht zwingend war. Vermutlich waren es Burnout durch jahrelange physische und psychische Überlastung die den Sex veränderten. Zuerst war auffallend, dass ich mich beim Sex konzentrieren musste um mit den Gedanken nicht bei etwas unerotischen zu landen. Das hatte die Folge, dass es trotz Erektion immer schwieriger wurde einen Orgasmus zu erlangen. Irgendwann hatte ich nur noch einen Samenerguss, aber keinen Orgasmus mehr. Die Gedanken entfernten sich immer weiter, jetzt war es auch so weit, dass ich Probleme hatte die Erektion dauerhaft aufrecht zu halten. Lust auf Selbstbefriedigung erlosch. Beim Sex mit der Partnerin versuchte ich zu funktionieren.
    Sobald man sich irgendwelche Gedanken macht oder sich versucht zu konzentrieren, schneidet man der sexuellen Lust den Weg ab.
    Viele denken jetzt, mit 54 Jahren, da kann das Testosteron zu niedrig oder der Körper allgemein in einer schlechten Verfassung sein. Bei mir ist es nicht so, mein Testosteron wert ist außerhalb der Norm, aber nicht nach unten, sondern, er ist etwas zu hoch. Körperlich bin ich sehr fit und auch nicht übergewichtig. Was bleibt da als Ursache noch übrig? Die Psyche wird es sein. Wie man die Lust wiederfindet konnte mir noch niemand zeigen.
    MfG
    Heiko Kurz

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