von Dagmar Kotzian
Wie können gezeichnete Linien eine Transformation anstoßen, um das sexuelle Mindset zu verändern? Ganz einfach – indem wir dem Unterbewusstsein, im wahrsten Sinne des Wortes, den Stift in die Hand geben. Genau das passiert mit der Neurographik®, die seit 2014 immer mehr begeisterte Zeichner*innen in ihren Bann zieht.
Wie funktioniert die Neurographik®?
Der Zeichenprozess folgt festgelegten Schritten. Mit der Fokussierung auf mein ganz spezielles Thema – zum Beispiel auch zu meiner Sexualität – aktiviere ich das Unterbewusstsein und spüre mich in das Spannungsfeld von Ist-Zustand und Wunsch-Zustand ein. Dieser Anspannung gebe ich einen zeichnerischen Ausdruck mittels einer kurzen Entladung auf dem Papier. Im Anschluss werden über das Zeichnen mit der neurographischen Linie Spitzen, Ecken harmonisiert und das Bild erweitert bis die Entladung unsichtbar und das komplette Zeichenfeld aufgefüllt ist. Am Ende ist ein buntes Bild entstanden, das die ursprüngliche Anspannung überlagert.
Was ist eine neurographische Linie?
Die neurographische Linie ist die Linie der Natur – sie entwickelt sich während des Zeichnens indem wir die Hand über das Blatt fließen lassen, ohne darüber nachzudenken, und gleicht einem sich mäanderndem Fluss. Die entstehenden Strukturen ähneln den neuronalen Verknüpfungen unserer Gehirnstruktur, den Synapsen, und genau diese Tatsache führt über die Veränderungen in eine neue Denkweise.
Was passiert während des Zeichnens?
Während des Prozesses des Zeichnens heißt es dem Unterbewusstsein die Führung zu überlassen und in einen meditativen, aber auch wachen Zustand der Selbstbeobachtung zu gelangen, um beginnende Veränderungen wahrzunehmen. Wo werden Verspannungen gespürt? Im Kiefer? Im Rücken? Kommt der Impuls zu gähnen oder sich zu bewegen? Verändert sich das Temperaturempfinden? Oh – es machen sich Kopfschmerzen bemerkbar. Wie steht es um den Bodenkontakt und bitte immer mal wieder tief durchatmen. Wichtig ist dabei auch die Beobachtung welche Gedanken auftauchen und diese kurz zu notieren.
Was passiert nun auf dem Blatt und in dem Transformationsprozess?
Zur Verfügung stehen viele verschiedene Zeichenmodelle, die jedem Thema angepasst werden können. Während die Zeichnung entsteht, werden oft Impulse wahrgenommen, z.B. zur Größenveränderung der gezeichneten Strukturen, oder es tauchen neue Gedanken auf, die bereits einen Hinweis auf den beginnenden Transformationsprozess geben.

– Beispiel Neurobaum – ich bemerke, dass die Wurzel (Ressourcen) zu groß ist gegenüber der kleinen Krone (Zukunft) und passe meine Zukunft an. Es wird mir bewusst, eine gute Basis zu haben, um in der Zukunft meine Sexualität erfüllender zu leben.
– Beispiel: Meine Sexualität leben (s. Titelbild) – während des Neurographierens beginnt sich die von mir aktuell geglaubte wichtigste Qualität zu verkleinern und dafür nimmt eine andere Qualität an Größe zu.

– Beispiel Neuroregen: Die in der Erde liegenden Samen werden bewässert um wachsen zu können. Während sich die Linien entfalten, verändern sich rein intuitiv die Größenverhältnisse der Samen oder es kommen neue Samen dazu.
Wie erfolgt die Veränderung?
Wie beim Neurobaum gut erkennbar, bleibt das eigentliche Zeichenmodell nie isoliert stehen, sondern wird mit einem „Hintergrund“ in einen Gesamtkontext gesetzt. Durch dieses Anschließen der Zeichnung an das Umfeld erfolgt die Integration, neuronale (Denk)Strukturen bilden neue Verknüpfungen (Synapsen) – neue Blickwinkel eröffnen sich, Lösungen werden aufgezeigt. Ich kann Bildstrukturen, die mich besonders ansprechen, herausarbeiten oder Linien betonen, die sich bereits stärker zeigen. So kristallisiert sich das veränderte, neue Thema heraus. Das entstandene Bild darf wirken und ich bin aufgefordert hinzuspüren, wie sich mein Gefühl in Bezug auf das Ursprungsthema variiert hat. Meist wird Erleichterung wahrgenommen, manchmal auch Überraschung über das Ergebnis. Vielleicht zuerst mal nichts, um sich dann später als neuer Gedanke zu zeigen. Die nächsten Schritte werden klar.
Meine Erfahrung während der Ausbildung zur Neurographik® Spezialistin®
Mich haben immer wieder die Veränderungen in den Proportionen von Themen oder Prioritäten total überrascht. Manchmal verschwand das Ursprungsthema und es tauchte ein total unerwartetes neues Thema auf. Dies geschieht unabhängig davon ob das neue Thema benannt werden kann oder nicht – die Veränderung arbeitet im Unterbewusstsein und präsentiert sich dann als plötzliche Erkenntnis oder zeigt sich indem vielleicht der Mut da ist, eine neue Tür zu durchschreiten, die vorher sehr mit Vorsicht betrachtet wurde. Beim Bild „Neurobaum“ hat mich z.B. die Reihe Kreise in der Wurzel sehr überrascht und dann wurde mir klar, dass sie meine weibliche Ahnenreihe symbolisiert.
Wie kann die Neurographik® im Thema Sexualität eingesetzt werden?
Durch die Vielfalt an Zeichenmodellen und der Option eigene Modelle zu entwickeln, sind der Einsetzbarkeit im Sexual-Coaching keine Grenzen gesetzt. Mich begeistert die Möglichkeit auch Menschen mit einem sehr ausgeprägten Schamgefühl – in Verbindung mit der Schwierigkeit überhaupt über Sexualität zu sprechen – ein sehr niederschwelliges Angebot zu eröffnen, sich mit ihrer Thematik zu befassen. Diese Methode eignet sich auch ideal für Menschen, die – zumindest anfangs – weniger körperorientiert arbeiten möchten und den kreativen Ansatz ansprechender finden.
Beispiele von Fragen und Themen
- sexuelle Wünsche und Erziehung, soziales Umfeld stehen im Widerspruch – die Begrenzungen können abgebaut werden und aufgelöst werden
- fehlender Kontakt zu Yoni / Lingam – über das Medium sich zeichnerisch mit Yoni / Lingam zu beschäftigen, kann ein Kontakt aufgebaut und anschließend vertieft werden
- Erkundung des sexuellen Potentials – wie gut kenne ich meine Sexualität? Welche sind meine Ressourcen, um mich für neue Erfahrungen zu öffnen?
- Bodyshaming – wo sehe ich mich kritisch? Was kann ich verändern, um meinen Körper liebevoll und lustbetont anzunehmen?
- Kommunikation in der Partnerschaft stärken – wo liegen die Schwächen und wo die Stärken, was bedarf der Veränderung?
- Was bedeutet erfüllende, nährende Sexualität für mich? – Erforschen was mir wirklich wichtig ist um meine Sexualität als nährend und erfüllend wahrzunehmen.
- Was wird benötigt oder darf sich verändern um erfüllende Sexualität zu leben? – Herausfinden was sich im Leben verändern darf um wirklich die eigene Sexualität leben zu können.
- Wie ist der Stand des sexuellen Selbstbewusstseins? – Bin ich wirklich so unerfahren wie ich mich wahrnehme?
- … Jede Frage und jedes Thema findet ein Zeichenmodell, um neurographisch in Veränderung gehen zu können.
Während des gemeinsamen Zeichenprozesses wird beobachtet, was beim Coachee passiert, mit begleitenden Fragen unterstützt – ohne zu lenken oder zu bewerten – um die selbstständige, freie Interpretation seines Bildes zu gewährleisten. Die nächsten Tage sollte das Bild immer mal wieder betrachtet werden und auch weitere Veränderungen vorgenommen werden, um die Wirksamkeit des gestarteten Prozesses zu stärken und sichtbar zu machen. Genau diese Sichtbarkeit spiegelt sich in wiederholenden Zeichenmodellen – jede Zeichnung fällt anders aus.
Autorin:

Dagmar Kotzian
Internet: https://dagmarkotzian.de/

